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Tobias Hauswurz
Redakteur

Liebe Leserinnen und Leser, 

am letzten Tag vor der Wahl geben die Parteien im Wahlkampf traditionell noch mal alles. 

Auch AfD-Kandidat Norbert Emmerich war aktiv: Er holte sich offensichtlich Wahlkampfhilfe aus Russland. Zumindest arbeitete er über längere Zeit mit einem Filmteam zusammen, das offenbar für den russischen Staatspropagandasender Rossija 1 arbeitet. Er ließ sich auf der Bochumer Straße in verschiedenen Szenen interviewen. Das berichten Augenzeugen gegenüber Spotlight Gelsenkirchen. Fotos belegen den Vorgang. Der Reporter des russischen Propagandaorgans konnte ermittelt werden.

Brisant dabei: Die AfD gilt in weiten Kreisen als besonders russlandnah. In der Recherche „Alternative für Russland“ haben wir von CORRECTIV Verbindungen der in weiten Teilen rechtsextremen Partei nach Russland aufgeschlüsselt.

Aber fangen wir vorne an. 

Gestern sorgte die Gelsenkirchener AfD bereits für Aufsehen, weil Parteichefin Alice Weidel auf einer NRW-Tour einen Stopp in Gelsenkirchen einlegte. Die hiesige Kreisvorsitzende Enxhi-Seli Zacharias und OB-Kandidat Emmerich führten Weidel über die Ückendorfer Straße, die dabei nicht müde wurde, sich über die Zustände an der Straße zu echauffieren. Die WAZ hat darüber berichtet.

Am Samstagmorgen geisterte dann das Gerücht durch eine große Gelsenkirchener Whatsapp-Gruppe: Alice Weidel sei erneut in Gelsenkirchen-Ückendorf unterwegs. 

Eine Falschbeobachtung, wie sich dann herausstellte. Bei der vermeintlichen Alice Weidel handelte es sich um eine Frau, die sich auf Nachfrage von Augenzeugen als Journalistin des staatlichen russischen Propagandasenders Rossija 1 ausgab. 

Eine Mutter und ihre Tochter, die lieber anonym bleiben möchten, hatten die Frau auf der Bochumer Straße angesprochen, weil sie von dem Filmteam offensiv gefilmt worden waren. Gegenüber Spotlight Gelsenkirchen sagten die beiden, dass die Frau mit einem starken russischen Akzent erklärt habe, dass sie für eine TV-Produktion arbeite und filmen dürfe. Am Ende soll sie dann bestätigt haben, dass sie für den Propagandasender Rossija 1 arbeite. Sie zeigte laut den beiden Frauen außerdem einen Presseausweis mit kyrillischen Buchstaben. Ein kurzes Video der Konfrontation liegt Spotlight Gelsenkirchen vor. In dem Video wiederholt die Frau immer wieder, dass sie für eine TV-Produktion arbeite. Für welche, kommt in dem Video aber nicht vor.

Der Propagandasender Rossija 1 darf in Deutschland nicht mehr ausgestrahlt werden. Zusammen mit anderen russischen Staatssendern, wie zum Beispiel Russia Today, wurde Rossija 1 von der EU als Teil der Sanktionen gegen Russland verboten. 

Das Filmteam habe untereinander nur russisch gesprochen - das bestätigen die Mutter und ihre Tochter, aber auch weitere Augenzeugen aus einem Café an der Bochumer Straße. Als Norbert Emmerich und das Filmteam vor dem Café filmen wollten, habe man sie gebeten, zu gehen, bestätigten Mitarbeiter gegenüber Spotlight Gelsenkirchen. Dabei sei auch aufgefallen, dass sie nur russisch miteinander sprachen. 

Das Interview mit Norbert Emmerich führte dem Augenschein nach Denis Davydov. Davydov arbeitet schon länger für die staatliche russische Propagandaholding WGTRK, zu der auch Rossija 1 gehört. Ein Foto, das Augenzeugen gemacht haben und das Spotlight Gelsenkirchen vorliegt, zeigt Davydov auf der Bochumer Straße.

Die New York Times berichtete 2022 über einen irreführenden Bericht Davydovs, als dieser für die WGTRK in Washington war. In einer E-Mail soll Davydov geschrieben haben, „der westliche Zuschauer wünsche sich alternative Fakten”, so die New York Times.

Norbert Emmerich sei es derweil merklich unangenehm gewesen, mit dem Filmteam gesehen zu werden. Fotos, die Spotlight Gelsenkirchen vorliegen, zeigen ihn nur von hinten mit dem Filmteam. „Er hat sich immer weggedreht, wenn wir fotografieren wollten”, sagten Augenzeugen gegenüber Spotlight Gelsenkirchen.

Norbert Emmerich (links) von hinten mit dem Filmteam.

Die AfD orientiert sich schon länger nach Russland. CORRECTIV hat bereits 2023 ausführlich über die Russlandnähe der AfD berichtet. Dass sich ein AfD-Oberbürgermeisterkandidat einen Tag vor der Wahl vom russischen Staatsfernsehen interviewen lässt, passt dabei ins Bild. 

Wir hätten Norbert Emmerich gerne gefragt, was es mit dem Dreh auf sich hatte und wie der Kontakt zum staatlichen russischen Propagandafernsehen zustande kam. Über einen gemeinsamen Kontakt ließ er aber ausrichten, generell kein Interesse an einem Gespräch mit CORRECTIV zu haben.


Das war es mit dieser kurzen Sonderausgabe. Normalerweise schreiben wir Ihnen ja nur donnerstags.

Das gibt mir jetzt aber die Möglichkeit, Sie ein letztes Mal darauf hinzuweisen, dass wir im Spotlight Café in der Arminstraße 15 morgen die Kommunalwahl feiern. Wir machen ausnahmsweise an einem Sonntag auf. Sie können erst gemütlich ins Wahllokal gehen und danach zum Frühstück, Mittagessen oder Kaffee und Kuchen zu uns kommen. Zusammen mit dem CORRECTIV-Faktenforum haben wir auch ein bisschen Programm vorbereitet. Ab 18 Uhr können wir dann gemeinsam auf die ersten Ergebnisse schauen - wenn Sie Lust haben. Und das Beste: Wer wählen war, bekommt ein Heißgetränk zum Frühstück oder Kuchen aufs Haus!

Bis morgen oder kommenden Donnerstag

Ihr

Tobias Hauswurz


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CORRECTIV ist das erste spendenfinanzierte Medium in Deutschland. Als vielfach ausgezeichnete Redaktion stehen wir für investigativen Journalismus. Wir lösen öffentliche Debatten aus, arbeiten mit Bürgerinnen und Bürgern an unseren Recherchen und fördern die Gesellschaft mit unseren Bildungsprogrammen.

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