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Tobias Hauswurz
Redakteur

Liebe Leserinnen und Leser, 

wie geht es Ihnen? Ja, es interessiert uns wirklich, was nach der Wahl am Sonntag in Ihnen vorgeht. Schreiben Sie uns gerne an gelsenkirchen@correctiv.org oder kommen Sie am heutigen Donnerstag ab 18 Uhr zu uns ins Café Spotlight – wir haben zu einer offenen Gesprächsrunde eingeladen. Um das Eis zu brechen, kann ich ihnen gerne sagen, wie es mir geht: Ich bin sehr müde und etwas ratlos. Ich bin genervt davon, dass ganz Deutschland jetzt wieder zu uns nach Gelsenkirchen blickt. Denn wenn das passiert, ist vorher nur selten etwas Gutes passiert.

Andererseits finde ich es wichtig, dass alle nun hierhin schauen. Ich wünsche mir nur, dass es dieses Mal etwas länger anhält als ein, zwei Wochen.

Sie merken, wir schlagen für diese Ausgabe einen etwas nachdenklicheren Ton an als sonst. Mein Kollege Mario Büscher und ich, wir wollen jetzt, vier Tage nach der Wahl, einen Blick darauf werfen, was die ersten Lehren aus der Wahl sind. Vor allem aber soll es darum gehen, worauf es in der kommenden Legislaturperiode ankommen wird.

Die tiefe Krise der SPD zeigt sich in Gelsenkirchen am deutlichsten

Die Analyse des Wahlergebnisses kann in Gelsenkirchen nur bei der SPD beginnen. Die Sozialdemokraten regieren seit 1946 fast ununterbrochen, insgesamt 50 Jahre davon alleine, also mit absoluter Mehrheit im Stadtrat. Nur einmal erlaubten sich die Gelsenkirchener einen Ausrutscher und wählten 1999 mit Oliver Wittke einen CDU-Mann zum Oberbürgermeister.

So weit, so bekannt. Am Wahlabend verfiel die SPD in gelernte Muster: Ihre Oberbürgermeister-Kandidatin ließ die versammelte Presse am Wahlabend erst einmal zwei Stunden warten. Andrea Henze lief erst in den Ratssaal des Hans-Sachs-Hauses ein, als ein Großteil der Stimmen in den Wahlbezirken ausgezählt war. Sie erntete stehende Ovationen, minutenlangen Applaus und Zweckoptimismus aus den Reihen der Sozialdemokraten. Henze war naturgemäß weiter im Wahlkampfmodus: „Gelsenkirchen hat mit deutlicher Mehrheit demokratische Kräfte gewählt”, sagte sie bei ihrer Ansprache und kritisierte den mangelnden Rückenwind der Koalition aus Berlin.

Man muss diese Symbolik nicht überbewerten. Vielleicht sollten der minutenlange Applaus und die Standing Ovations auch nur den anstrengenden Wahlkampf der OB-Kandidatin würdigen. Die Demut einer Partei, die „den Schuss vor den Bug verstanden hat”, wie die SPD-Parteivorsitzende Nicole Schmidt bei einer Veranstaltung im Spotlight drei Wochen vorher noch beteuerte, lässt die Inszenierung aber auch nicht gerade erkennen. Spricht man den SPD-Fraktionsvorsitzenden Axel Barton darauf an, sagt er, das habe man bei vergangenen Wahlen auch so gemacht.

Vom Wahlergebnis zeigt sich Barton auch nicht beeindruckt: „Ich habe teilweise gedacht, wir bekommen ein schlechteres Ergebnis. Mit der Zahl bin ich noch einigermaßen zufrieden.” Zur Einordnung: Es ist das schlechteste Kommunalwahlergebnis der SPD in Gelsenkirchen jemals. In den kommenden fünf Jahren wolle seine Partei alles dafür geben, die AfD-Wähler zurückzugewinnen, die früher mal SPD gewählt haben. „Mit den Möglichkeiten, die wir hier in der Stadt haben.”

Gelsenkirchener müssen wieder politische Teilhabe spüren

Wer den Wahlerfolg der AfD und die Schwäche der SPD in Gelsenkirchen erklären will, blickt auf viele lose Enden, die, wenn man sie zurückverfolgt, aber alle einen gemeinsamen Ursprung haben: Menschen in Gelsenkirchen sind die großen Verlierer, wenn es darum geht, am allgemeinen Fortschritt teilzuhaben. Oder sie empfinden es zumindest so.

Sie glauben nicht mehr daran, dass SPD, oder auch CDU, ihre Probleme lösen könnten. „Haben sie ja bisher auch nicht gemacht”, ist etwas, das wir in unseren Gesprächen vor der Wahl immer wieder gehört haben.  Stattdessen ging es jahrelang immer weiter abwärts. Dass sie selbst Einfluss haben und Politik mitgestalten können, spüren in Gelsenkirchen viel zu wenige. Den Erfolg der AfD in Gelsenkirchen nur mit Armut zu erklären, greift zu kurz. 

Die AfD hat in Gelsenkirchen vor allem auch bei denen Erfolg, die jeden Tag hart arbeiten, um ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Also in der klassischen SPD-Stammwählerschaft. Das ist ein bundesweites Phänomen. In Gelsenkirchen aber kommen viele Probleme hinzu und verstärken den Ärger der Menschen: leerstehende Großimmobilien in den Innenstädten, Müll-Hotspots, schlecht organisierte Integration, ein überfordertes Bildungssystem, vergammelnde Infrastruktur. Die Menschen sehen sich konfrontiert mit einem Staat, in dem etwas nicht mehr so funktioniert, wie es funktionieren sollte. Und die Angst davor, noch weiter abzusteigen, lässt viele zusammen mit der AfD nach unten treten. 

Auf der anderen Seite schaffen es die Parteien, die Fraktionen im Stadtrat, aber auch die Verwaltung, nicht zu zeigen, was sie geschafft haben. „Es ist ja auch kein Zufall, dass Karin Welge nicht mehr zur Wahl antritt: Es wird nicht wahrgenommen, was man erreicht hat”, sagt David Gehne vom Zentrum für interdisziplinäre Regionalforschung an der Ruhr-Universität Bochum. 

Es gibt Zeichen des Aufschwungs und Erfolge, auf die die Gelsenkirchener Lokalpatrioten zu Recht nicht müde werden hinzuweisen. Zarte Pflänzchen wie die Bochumer Straße und das darum entstandene, vielfältige Kulturangebot. Den Wochenmarkt in Buer oder den Feierabendmarkt auf dem Heinrich-König-Platz. Aber all das wird nicht ausreichen, um das Ruder wirklich rumzureißen.

Zuwanderung aus Südost-Europa ist ein Symptom, nicht Ursache allen Übels

Ein omnipräsentes Thema des Wahlkampf aber auch davor ist in Gelsenkirchen die Zuwanderung von Sinti und Roma aus Rumänien und Bulgarien. 

Weil es inzwischen häufig anders klingt, ist es wichtig, das einmal zu sagen: Gelsenkirchen ging es bereits vor 2014 schlecht, also dem Jahr, seit dem Menschen aus Rumänien und Bulgarien keine Arbeitserlaubnis mehr brauchen, um sich in anderen EU-Staaten niederzulassen. Hohe Arbeitslosigkeit, schrumpfende Kaufkraft, allgemeine Perspektivlosigkeit – damit kämpft Gelsenkirchen schon viel länger.

Die Form der Migration ist vor allem ein Symptom einer strukturschwachen, schrumpfenden Stadt. Einer Stadt mit einem kaputten Immobilienmarkt, in der viele Hausbesitzer jahrzehntelang Investitionen scheuten und Immobilien deshalb lieber verfallen ließen oder verscherbelten, anstatt sie instand zu halten. Dass dann auch kriminelle Ausbeuter Menschen unter fadenscheinigen Bedingungen nach Gelsenkirchen locken, tut sein Übriges. 

Man kann nicht sagen, dass die Stadt untätig geblieben ist. Das Interventionsteam-EU-Ost kontrolliert seit Jahren Schrottimmobilien. Vom Land NRW bekommt Gelsenkirchen 100 Millionen Euro, um solche Immobilien gleich abzureißen. Das soll kriminellen Machenschaften den Boden unter den Füßen wegziehen. Es ist auch nicht so, dass Gelsenkirchens Oberbürgermeisterin Karin Welge und auch schon ihr Vorgänger Frank Baranowski das Thema verschwiegen hätten – immer wieder riefen sie nach Aufmerksamkeit in der Sache. 

Aber alle Bemühungen stehen immer noch am Anfang und müssen in den kommenden fünf Jahren weitergeführt werden.

Politisch Kapital schlagen konnte aus dem Thema bislang deshalb nur die AfD, die viel zu einfache Lösungen für ein viel zu komplexes Thema anbietet. 

Ein Thema, für das Gelsenkirchens Politik erstmals eine echte Verbündete in entscheidender Position haben könnte: Bundesarbeitsministerin Bärbel Bas kommt selbst aus Duisburg und kennt viele der Probleme von dort. Vor einigen Wochen kündigte sie an, aktiver gegen Sozialleistungsmissbrauch vorgehen zu wollen, den Städte wie Gelsenkirchen oder Duisburg erleben. Die Chance, sich mit Bas zu verbünden, sollte die Gelsenkirchener Lokalpolitik nutzen.

Ein grundlegender Umbau der Stadtverwaltung wäre möglich

Ein wichtiges Thema in der kommenden Legislatur könnte außerdem die Neuaufstellung der Stadtverwaltung werden. Bis 2030 stehen alle Beigeordneten zur Wahl. Die Beigeordneten, auch Dezernenten genannt, leiten jeweils einen ganzen Fachbereich in der Stadtverwaltung. Sie bilden zusammen mit der Oberbürgermeisterin den Verwaltungsvorstand, sind also die obersten Verwaltungsbeamten einer Kommune. Sie müssen sich alle acht Jahre zur Wahl stellen. Dass innerhalb einer Legislaturperiode gleich alle Beigeordneten neu gewählt werden müssen, könnte die Kommunalpolitik als Chance für einen Neuanfang begreifen – auch kommunikativ. Denn die Gelsenkirchener Stadtverwaltung hat keinen guten Stand bei Bürgerinnen und Bürgern. Sie gilt vielen als zu starr und unflexibel, zu bürokratisch und ja, an einigen Stellen auch inkompetent. Auch wir haben schon über mehrere Fälle berichtet, die dieses Bild bestätigen - etwa beim Kampf von Anwohnern um ein neues Radhaus oder die Sanierung eines Jugendzentrums.

Sascha Kurth, alter und frisch wiedergewählter Fraktionsvorsitzender der CDU, machte im Gespräch mit unserer Redaktion die Fronten in Personalfragen schon einmal klar: „Da sitzen auch aus historischen Gründen an einigen Stellen Menschen, die nicht mehr über den Tellerrand schauen. Das können wir nicht weiter akzeptieren.” Es brauche eine ehrliche Diskussion darüber, „ob an den richtigen Stellen die richtigen Leute sitzen”, sagte Kurth und meint damit explizit auch die Stufe unter den Dezernenten, also die der Referatsleitungen. Viele gute Mitarbeiter in der Verwaltung würden zu häufig von starren Strukturen ausgebremst, findet Kurth.

Wie viel sich die CDU beim Thema Personal angesichts ihres nicht unbedingt überzeugenden Wahlergebnisses dann aber wirklich rausnehmen kann, bleibt abzuwarten. Es wird darauf ankommen, ob die SPD-Fraktion, aber auch eine neue Oberbürgermeisterin Andrea Henze, bereit ist, die Verwaltung an entscheidenden Stellen umzubauen.

Eine solche Stellschraube könnte das Baudezernat sein, das nicht nur der CDU, sondern inzwischen auch einigen Genossen ein Dorn im Auge ist. Auf das Baudezernat wird es in den kommenden Jahren besonders ankommen. Um neue Schulen und Kindergärten zu bauen, heruntergekommene Stadtquartiere wieder lebenswerter zu machen, Schrottimmobilien abzureißen, Unternehmen und Investoren, die mit Bauvorhaben neue Impulse setzen wollen, keine Steine in den Weg zu legen,  kaputte Straßen zu reparieren und vor allem: Das versprochene Geld für Infrastruktur aus dem Sondervermögen des Bundes an den richtigen Stellen einzusetzen – sofern es irgendwann tatsächlich in ausreichender Höhe fließt.

Henze kündigte im Wahlkampf bereits an, die Verwaltung optimieren zu wollen. Die Chance könnte also auch genutzt werden – wenn sie als solche begriffen wird.

Bevor überhaupt über Personal und Themen diskutiert werden kann, wird es jetzt aber zunächst darum gehen, die Arbeit im Stadtrat neu zu organisieren. 

Die Mehrheitsverhältnisse im neuen Stadtrat ändern sich nur bedingt - trotz gewachsener AfD-Fraktion 

Zwölf Parteien wird es im neuen Stadtrat geben. Nochmal zwei mehr als in der abgelaufenen Legislatur. Das hat Auswirkungen auf die Arbeit des Kommunalparlaments. Erst einmal ganz praktisch: Sitzungen dürften künftig länger dauern, einfach, weil mehr Leute die Möglichkeit bekommen etwas zu sagen. Gleich sechs Einzelpersonen sitzen im Rat, eine Sperrklausel, wie etwa bei der Bundestagswahl, gibt es im Kommunalen nicht. 

Das Machtverhältnis zwischen der SPD und der CDU ist in etwa gleich geblieben. Wegen der erstarkten AfD können die beiden Parteien ihre große Koalition aber nicht weiterführen, weil sie zu zweit keine Mehrheit mehr haben. Sie brauchen also einen dritten Partner. Mit den Grünen würde es reichen. Die sogenannte Kenia-Koalition käme auf 35 von 66 Sitzen und wäre die erste Wahl der SPD. Die Grünen hatten ja auch Andrea Henze bereits vor der Stichwahl unterstützt. „Sprechen werden wir aber auch mit der FDP”, sagte Barton im Gespräch mit uns. Und auch die Linke wäre ein denkbarer Koalitionspartner für die SPD. Das wiederum ist mit Sascha Kurth und der CDU nicht zu machen, die sich ihrerseits besonders mit der FDP anfreunden könnte. Heikel: Nur mit den Liberalen hätte eine Koalition lediglich eine Stimme Vorsprung.

Die FDP hat nach der Wahl ihren Status als Fraktion verloren und wird künftig als Gruppe im Stadtrat sitzen - zumindest sofern sich nicht einer der Einzelpersonen ihnen anschließt. Die Einzelmandatsträger dürften das anstreben, denn Gruppen (ab zwei Ratsmitgliedern) und Fraktionen (ab drei Ratsmitgliedern) bekommen Zuschüsse für die Organisation ihrer Arbeit. Allerdings bleibt fraglich, wie sich die Einzelpersonen zusammenschließen. Mit GUT sitzt in der kommenden Legislatur weiterhin ein Vertreter der türkischen rechtsextemen Ülkücü-Bewegung im Stadtrat, den BSW-Vertreter kennt keiner der Parteien, mit denen wir gesprochen haben, AUF dürfte weiter alleine arbeiten. Auch die Wählerinitiative WIN hatte bei der Wahl ihren Fraktionsstatus verloren. Hinzu kommt noch die Tierschutzpartei, die ebenfalls einen Sitz verloren hat und Die Partei.

Mehrheiten sind also, wie bisher, im Gelsenkirchener Stadtrat auch ohne die AfD möglich.

Was nicht zu verhindern ist: Die AfD wird künftig mehr Ausschüssen vorsitzen. Die Auswahl der Arbeitsgruppen des Parlaments läuft nach einem bestimmten System, bei dem die größten Fraktionen zuerst ihre Ausschüsse wählen dürfen und diesen dann auch vorsitzen. Nach derzeitigem Stand wäre also zunächst die SPD und dann die AfD dran. Durch Zusammenschlüsse anderer Parteien ist es theoretisch möglich, dass die AfD eine Runde später mit ihrer Wahl beginnt. Verhindern lässt sich der Vorsitz aber nicht. „Und das ist auch gut so. Wir sollten nur wegen dieses Wahlergebnisses nicht anfangen, Minderheitenrechte abzuschaffen”, sagt Jörg Bogumil, der in Bochum zu Stadtpolitik forscht.

Vorsitzende leiten die Sitzungen ihrer Ausschüsse, sollten neutral sein und legen die Tagesordnung fest. Mehr Stimmrecht haben sie aber nicht, ein Vorsitzender im Ausschuss kann also nicht gegen die Mehrheit arbeiten - auch die Tagesordnung lässt sich durch Abstimmungen wieder anpassen. Ob AfD-Ausschussvorsitzende Neutralität vermissen lassen werden, wird laut Bogumil abzuwarten sein. „Das ist auf kommunaler Ebene bisher kein großes Problem. Aber es gibt jetzt nunmal mehr AfD-Vorsitzende.” 

Und: Die Repräsentation der AfD wird steigen. Ausschussvorsitzende werden zu offiziellen Anlässen eingeladen und sind oftmals auch erster Ansprechpartner für Medien, wenn es um Themen geht, die den jeweiligen Ausschuss betreffen.

Wie machen wir jetzt weiter? 

Eine Sache müssen wir auch noch ansprechen: Jeder zehnte Wahlberechtigte in Gelsenkirchen war am letzten Sonntag bereit, einer vom Verfassungsschutz als rechtsextrem eingestuften Partei ihre Stimme zu geben. Die Fakten zur AfD liegen längst auf dem Tisch. Der Gelsenkirchener Kreisverband um seine Vorsitzende Enxhi Seli-Zacharias ist tief im völkischen Lager der AfD verwurzelt. Das Wahlprogramm ist durchsetzt mit Ideen aus dem verfassungsfeindlichen Remigrations-Konzept, das der Rechtsextremist Martin Sellner im November 2023 in Potsdam vorstellte. 

Bei allem Verständnis, das unsere Gesellschaft für den Frust, den Ärger, oder echte Verzweiflung aufbringen muss, sollten wir uns auch keine falschen Vorstellungen machen: Über eine reine Protestwahl dürften viele der 27.271 AfD-Wähler in Gelsenkirchen längst hinaus sein. Die AfD wird nicht nur trotz, sondern inzwischen von vielen gerade wohl auch wegen ihrer ausländerfeindlichen Politik gewählt. Es gibt keine Befragungsdaten für Gelsenkirchen, darum ist schwer zu sagen, wer genau aus welchen Gründen die AfD wählt. David Gehne allerdings geht davon aus, dass es neben Protestwähler inzwischen auch „nicht wenige rechtsextreme Wählerinnen und Wähler in Gelsenkirchen” geben dürfte.

Und die erreicht die AfD besonders über das Internet. Klassischen Wahlkampf muss sie kaum noch führen, wie auch viele überregionale Medien richtig feststellten. Den Wahlkampfauftakt auf dem Heinrich-König-Platz Ende August und die Wahlparty im Hans-Sachs-Haus streamten mehrere der Partei wohlgesonnene Youtuber. Allein der Livestream von „Weichreite TV” vom Wahlkampfauftakt hat mehr als 100.000 Aufrufe. Für die AfD „reicht es aus, da zu mobilisieren, wo andere enttäuscht haben. Und das in der Regel über eigene Kanäle, ohne überhaupt mit Medien zu sprechen”, sagt Gehne. 

Die gesellschaftliche Auseinandersetzung mit allen Menschen, die rechtsextreme Positionen mindestens akzeptieren, wenn nicht sogar gutheißen, wird hart und mitunter auch persönlich schmerzhaft werden. Aber sie muss geführt werden. Von allen demokratischen Parteien und Menschen. 


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Mitreden

Bildung: Helfen Sie uns bei der Recherche

Eigentlich könnten wir mit unserer Wahlanalyse an dieser Stelle weitermachen: Parteien und Verwaltung werden nicht müde zu unterstreichen, wie wichtig ihnen Bildung und Schule sind. Auf deutliche Verbesserungen wartet man aber vergeblich. Lehrerinnen und Lehrer fehlen, Klassen sind zu groß, Schüler und Schulen oft überfordert. In der Pflicht ist hier besonders das Land, das in der Bildungspolitik den Hut auf hat, aber auch Kommunalpolitik darf sich an Verbesserungen beteiligen.

Und eine Förderung von Bund und Ländern macht Hoffnung: Durch das Startchancen-Programm sollen in den kommenden zehn Jahren Milliarden Euro in Schulen mit vielen soziökonomisch benachteiligten Kindern gesteckt werden. Allein in Gelsenkirchen machen 40 Schulen mit, 19 sind seit einem Jahr dabei, 21 starteten in diesem Schuljahr. 

Ziel des Programms ist es, Basiskompetenzen, wie Lesen, Schreiben und Rechnen, zu verbessern. 

Wir wollen wissen: Klappt das? Dafür sind wir auf die Hilfe möglichst vieler Lehrerinnen und Lehrer, Schulleitungen, Mitarbeitenden der multiprofessionellen Teams und Schulsozialarbeitenden angewiesen, die uns schildern, wie es in ihrer Schule läuft.

An unserer Recherche teilzunehmen, ist ganz einfach: Wir haben eine Umfrage in unserem CrowdNewsroom erstellt, die anonym oder mit Angabe des Namens ausgefüllt werden kann. 

Hilfreich ist es, wenn Sie den Link an Freunde, Bekannte und Familienmitglieder weiterleiten, die im Bildungsbereich arbeiten. Nur so bekommen wir ein umfassendes Bild darüber, wie das Programm in Gelsenkirchen umgesetzt wird. 

Haben Sie Infos oder brauchen mehr Material, um die Umfrage in Ihrem Umfeld zu verbreiten, melden Sie sich bei meinem Kollegen Mario Büscher unter mario.buescher@correctiv.org

Über die Ergebnisse der Recherche schreiben wir fortlaufend im Spotlight Gelsenkirchen.

AfD und die russische Propaganda

In einer Spezialausgabe dieses Newsletters haben wir vergangenen Samstag über ein Interview berichtet, das AfD-Oberbürgemeisterkandidat Norbert Emmerich einem russischen Kamerateam auf der Bochumer Straße gegeben hat. Eine Mitarbeiterin des Filmteams soll laut Augenzeugenberichten angegeben haben, für den russischen Staatssender Rossija 1 zu arbeiten. Fotos zeigen zudem den Reporter Denis Davydov, der in der Vergangenheit bereits für Rossija 1 arbeitete.

Emmerich erteilte Spotlight Gelsenkirchen auf eine erste Anfrage eine Absage und wollte nicht mit unserer Redaktion reden. Er habe generell kein Interesse an einem Gespräch mit CORRECTIV, sagte er einem gemeinsamen Kontakt. Am Rande der AfD-Wahlparty im Hans-Sachs-Haus vergangenen Sonntag hatte mein Kollege Mario Büscher jedoch die Möglichkeit nochmal nachzufragen. Emmerich sagte uns, dass es sich bei dem Sender nicht um Rossija 1 gehandelt habe. Wer stattdessen mit ihm das Interview führte, wollte der 72-Jährige aber nicht sagen. Wo der Beitrag ausgestrahlt wird, wisse er selbst nicht. Deutlich machte er wiederholt jedoch: Um Rossija 1 habe es sich nicht gehandelt.


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Im Spotlight...

...auf der Bühne

25.09.2025 – Der Zauberer von Öz, Opus Özil – Lesung mit Akın Emanuel Şipal

Das Theaterstück „Der Zauberer von Öz, Opus Özil” wird im Oktober am Theater Bremen uraufgeführt. Schon vorher, am 25. September liest Akın Ausschnitte aus dem Stück bei uns im Spotlight-Café und spricht mit der Spotlight-Redaktion darüber, was wir aus dem Fall Özils über das Zusammenleben und Integration lernen können.

Beginn: 19 Uhr
; Ort: Spotlight Gelsenkirchen, Arminstraße 15, 45879 Gelsenkirchen; Eintritt frei

02.10.2025 – Wie geht es nach der Wahl weiter?

Um diese Frage zu beantworten, haben wir die Ratsfraktionsvorsitzenden von SPD (Axel Barton), CDU (Sascha Kurth), Grünen (Adrianna Gorczyk) und Linken (Martin Gatzemeier) zur Diskussion eingeladen. Wir wollen über die anstehenden Koalitionsverhandlungen sprechen, aber vor allem einen Ausblick auf die politischen Herausforderungen der kommendenen Jahre werfen. Wie immer mit Ihnen zusammen im Austausch.

Beginn: 19 Uhr
; Ort: Spotlight Gelsenkirchen, Arminstraße 15, 45879 Gelsenkirchen; Eintritt frei

09.10.2025 – Mitsing-Konzert mit MALMØ

Das Gelsenkirchener Akustik-Duo MALMØ spielt Cover-Songs im Lagerfeuer-Stil – so, dass alle Mitsingen können. Wird spaßig, kommen Sie vorbei!

Beginn: 19 Uhr
; Ort: Spotlight Gelsenkirchen, Arminstraße 15, 45879 Gelsenkirchen; Eintritt frei

16.10.2025 Integration damals und heute - Spotlight im Gespräch mit Osman Okkan

Gelsenkirchen und das Ruhrgebiet waren schon immer von Zuwanderung geprägt. Integration war seit jeher eine Herausforderung. Das ist sie bis heute. Der deutsch-türkische Journalist und Filmemacher Osman Okkan beschäftigt sich seit mehr als 50 Jahren mit dem Thema Integration. Mit ihm und dem Publikum gehen wir der Frage auf den Grund, welche Voraussetzungen es für eine gleichberechtigte Teilhabe braucht und was wir von früher für heutige Herausforderungen lernen können.

Beginn: 19 Uhr
; Ort: Spotlight Gelsenkirchen, Arminstraße 15, 45879 Gelsenkirchen; Eintritt frei

Alle unsere Veranstaltungen finden Sie unter gelsenkirchen.correctiv.org/veranstaltungen

...auf der Karte

Manchmal muss es einfach ein Butterbrot sein. Ob man unsere Landbrotstullen noch so bezeichnen kann, weiß ich nicht. Aber egal, schmeckt. Das Brot ist super, der Belag auch. Mein Favorit ist die vegetarische Variante mit Salat, Avocado, Kirschtomaten, Feta und Granatapfelkernen. Nicht nur, weil sie auf den Namen CORRECTIV hört. Ehrlich!

Die komplette Speisekarte finden Sie hier!

Die CORRECTIV-Stulle

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Die Woche auf einen Blick

+++ Der Abriss des ehemaligen Boecker-Hauses am Bahnhofcenter verzögert sich, weil sich Stadtverwaltung und Investor noch über den neuen Standort des historischen Bahnhofsfensters einigen müssen. waz.de

+++ Bisher unterstützen CDU, FDP, WIN, AUF und Volt die SPD- und Grünen-Kandidatin Andrea Henze in der Stichwahl am 28. September gegen Norbert Emmerich, während die Linke wegen eines entsprechenden Parteitagsbeschlusses im Mai keine offizielle Wahlempfehlung ausspricht.

+++ Das Kreissportgericht bestraft die Fußballvereine BV Horst Süd und Hansa Scholven, nachdem sie sich beim Spiel gegeneinander eine Massenschlägerei geliefert hatten. Die kommenden sieben Spiele der C-Ligisten werden jeweils mit einer Niederlage gewertet. waz.de

+++ Gelsenkirchener Autofahrer kassieren im Vergleich zu denen in anderen Städten besonders viele Punkte in Flensburg. radioemscherlippe.de


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Köpfe im Spotlight

Dieses Mal im Kurzinterview: Ulrike Göbe, Ehrenamtliche bei der Babyzeit-Partnerschaft

Ulrike Göbe im Spotlight.
Bei der Babyzeit-Partnerschaft gehen Ehrenamtliche zu Familien und spielen mit den Kindern oder begleiten die Familien zu Terminen bei Ämtern oder beim Kinderarzt. Warum engagieren Sie sich dort?

Ich bin selbst Mutter von drei Kindern und mein Mann hat immer viel gearbeitet. Daher war ich auch viel alleine mit den Kindern. Ich weiß, wie das ist, wenn alles zu viel wird und möchte selbst Eltern entlasten, damit sie ein paar Stunden in der Woche Zeit für sich haben oder Aufgaben erledigen können.

Was ist Ihnen bei der Arbeit wichtig?

Meine Aufgabe ist es nicht, die Kinder zu erziehen. Ich gebe gerne Ratschläge, wenn ich gefragt werde, ansonsten ist das die Aufgabe der Eltern. Ich entlaste die Familien, aber wir Ehrenamtliche ersetzen keine Vollzeit Kinderbetreuung. Viele Menschen haben Hemmungen, zu uns zu kommen, aber mir ist es auch immer ganz wichtig zu betonen: Ich bin nicht das Jugendamt. Ich bin hier, um mich um die Kinder zu kümmern.

Wenn Sie eine Sache an Gelsenkirchen von heute auf morgen ändern könnten - was wäre das?

Dass es weniger Leerstand in der Stadt gibt und Geschäfte nicht so häufig wechseln. Es wäre toll, wenn die Gelsenkirchener Innenstadt wieder attraktiver wird.

Ulrike Göbe arbeitet als Medizinische Fachangestellte in einer Kinderarztpraxis und engagiert sich seit zehn Jahren für die Babyzeit-Partnerschaft. Mittlerweile hat sie selbst rund acht Familien betreut. Begleitet wird sie dabei von einer Koordinatorin und trifft sich mit anderen Babyzeit-Partnerinnen zum Austausch. Die Babyzeit-Partnerschaft ist eine Kooperation der Familienförderung, der AWO und der Ehrenamtsagentur.


Das war es für diese Ausgabe. Ich hoffe, wir sehen uns heute Abend oder am 2. Oktober – damit wir im Gespräch darüber bleiben können, wie wir Gelsenkirchen in den kommenden Jahren gestalten wollen.

Vielen Dank und bis bald! 

Ihr

Tobias Hauswurz

An dieser Ausgabe haben mitgewirkt: Mario Bücher und Ronja Rohen.


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Schon gewusst?

Das Wort-Quiz Wordle, das die New York Times erfunden hat, kann man auch selbst erstellen. Ich habe das einfach mal gemacht und Sie haben jetzt sechs Versuche um herauszufinden, welches Wort das Richtige ist:

Viel Spaß beim Raten! 


KORREKTUR: In einer früheren Version hatten wir das Wählerbündnis AUF bei der Aufzählung der Unterstützer von Andrea Henze vergessen. Wir haben das korrigiert.

CORRECTIV ist spendenfinanziert

CORRECTIV ist das erste spendenfinanzierte Medium in Deutschland. Als vielfach ausgezeichnete Redaktion stehen wir für investigativen Journalismus. Wir lösen öffentliche Debatten aus, arbeiten mit Bürgerinnen und Bürgern an unseren Recherchen und fördern die Gesellschaft mit unseren Bildungsprogrammen.

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